Tetrabase

 
 
 

Als ich nach gut anderthalb Stunden mit meinen Ausführungen über den Hyperraum zu Ende kam, war die Begeisterung bei allen Beteiligten sehr groß. Wir saßen noch eine ganze Weile in meinem Wohnzimmer, diskutierten das Gehörte und tranken nebenbei den Rotwein leer. Ich war fast ein bisschen stolz auf mich, zumindest betrachtete ich meine Mission als gelungen. Am nächsten Morgen verabredeten wir uns wieder alle in einem kleinen Weimarer Café zum gemeinsamen Frühstück. Während die Tische voller Spiegelei und Kaffee standen, blieb der Hyperraum außen vor. Doch dann, als wir gerade beim Kellner die Rechnung bestellten, da kam sie… die Frage! Also Silke, das mit dem Hyperraum ist ja alles gut und schön. Aber eins versteh’ ich immer noch nicht. Warum sind denn nun Raum und Zeit eigentlich dasselbe???
Mhhh…. Schon wahr, das mit der Relativität hatte ich wohl- unbewusst zwar – aber dennoch voraus gesetzt und meinen tapferen Zuhörern gleich die volle Dimensionsladung um die Ohren gehauen… Die Sache nun schnell zwischen Austrinken und Bezahlen klären zu wollen, ging schief, wie ich den erst fragenden später skeptischen Gesichtsausdrücken meiner Freunde entnehmen konnte. Hier war Sportsgeist gefragt! Da sich der Sonntag zu verregnen begann, ging ich nach Hause, verfasste Einsteins Geist und versendete ihn per E-Mail. Also passt auf!
Wir, die wir in unseren offenkundigen drei Dimensionen leben, sind in der Lage, diese untereinander zu vertauschen. Das heißt, wenn ein Schrank Länge, Breite und Höhe hat und ich kippe den Schrank auf die Seite, dann wird plötzlich (aber nicht unerwartet) die Höhe zur Breite und die Breite zur Höhe. Klar?.. Klar! Noch vor 300 Jahren meinte Newton, die Zeit und der Raum seien zwei völlig unabhängige Größen und die Zeit sei unabänderlich und verginge an jedem Punkt im Universum gleich. Einstein glaubte das nicht. Was wäre, wenn man auch Zeit und Raum untereinander tauschen könnte? Er hinterfragte dies gründlich. Ich hoffe, ich kann sein Vorstellungsmodell für Euch verständlich transportieren:
Wenn zwei Züge nebeneinander herfahren, haben beide eine Geschwindigkeit. Meinetwegen 150 km/h. Wenn Ihr nun in dem einen Zug sitzt und in den anderen, in dem ich sitze, hineinschaut, was ist dann? Ich habe zwar für Außenstehende immer noch eine Geschwindigkeit von 150 km/h, aber bezogen auf Euch, die Ihr Euch genauso schnell bewegt, habe ich die Geschwindigkeit 0. Die Geschwindigkeit ist also abhängig davon, wo man sich im Raum befindet. Genauso ist es auf den Raum bezogen: Wenn Ihr am Bahnsteig steht und der Zug mit seinen 150 Klamotten an Euch vorbeirauscht, dann nehmt Ihr ihn in seiner Gestalt wesentlich verkürzter wahr, als wenn er im Bahnhof ruhig vor Euch stünde. Dazu kommt, dass die Zeit für jemanden im fahrenden Zug schneller vergeht, als für einen anderen, der dies nicht tut. Natürlich sind 150 Sachen noch nicht schnell genug, um das mit unseren Zeitmessmethoden sichtbar machen zu können. Aber... Wenn wir die Rechnung mit einem Zug veranstalten würden, der nahe an die Lichtgeschwindigkeit (c) heran kommt, dann könntet Ihr nach ein paar Jahren auf dem Bahnsteig, sicher schon das ein oder andere graue Haar an Euch entdecken, während ich im c-ICE sozusagen nur ein paar langweilige Stunden verbracht hätte. Die Schlussfolgerung lautet:

Je schneller wir uns im Raum bewegen, um so langsamer vergeht die Zeit und desto mehr schrumpft der Raum.

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Es gibt also doch einen Zusammenhang. ? Einstein erkannte, dass Raum und Zeit sich auf mathematisch genau definierte Weise ebenso untereinander tauschen ließen, wie die drei räumlichen Dimensionen. Er prägte den Begriff der RAUMZEIT, der ab da als eine einzige Größe in der Physik gehandelt wurde. Einstein spann den Faden aber noch weiter. Wenn nun Messlatten schrumpfen und Uhren langsamer gehen können, dann müssen sich auch die Verhältnisse der Größen ändern, die man mit Messlatten und Uhren messen kann. Wenn es also einen Zusammenhang zwischen Zeit und Raum gab, dann konnte man auch Energie und Materie in einen fassbaren Zusammenhang bringen. Ein Auto z.B., das auf eine Ziegelwand kracht, besitzt offenkundig Energie. Wir erhöhen nun auch hier die Geschwindigkeit gedanklich fast auf die des Lichtes und haben wieder den schon bekannten Effekt. Das Auto schrumpft wie ein Akkordeon und die Uhren in seinem Inneren gehen langsamer. Jetzt stellte Einstein aber zusätzlich fest, dass sich mit wachsender Geschwindigkeit auch noch die Masse erhöht. Unerhört, aber wahr! ? Ein Auto, das mit 30 km/h an die Mauer fährt, ist wesentlich weniger zermatscht, als eines, was dies mit 130 km/h tut. Aber woher kommt diese Masse? Einstein kam zu dem Schluss, dass sie nur aus der Energie, die nun wieder aus der Geschwindigkeit resultiert, stammen kann.
Das hatte natürlich wie immer, wenn Einstein einmal anfing zu denken, verwirrende Folgen. So kam er nämlich auf den Energieerhaltungssatz, jene große Entdeckung des 20. Jhd., die besagt, dass die Gesamtmasse und -energie eines geschlossenen Systems IMMER ABER AUCH IMMER gleich bleibt. Um bei unserem Auto zu bleiben, welches gegen die Mauer gerauscht war: Die Masse, die der Wagen mitbringt (und die wir kurz vorher dank Gaspedal noch erhöht hatten), ist nicht mit einem Mal verschwunden, nein! Sie verändert nur ihre Form und wird umgewandelt z.B. in Schallenergie (die wir als ohrenbetäubenden Krach beim Aufprall erleben), in Bewegungsenergie (die sich in umher wirbelnden Teilen des Autos selbst und auch der Mauer bemerkbar macht), in Wärmenergie (weil vielleicht der Tank explodiert) usw. usw. Zusammengefasst heißt das nun:

Wenn Masse verschwindet, setzt sie ungeheure Mengen von Energie frei, oder sie bleibt wo sie ist. Etwas dazwischen gibt es nicht. Aus diesen Fakten bastelte Albert die allseits bekannte (?) Formel E=mc2.

Da das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit so eine astronomisch hohe Zahl ergibt, heißt das, dass kleinste Materieteilchen riesige Energiemengen freisetzen können. In der Wasserstoffbombe hat sich Einsteins theoretische Arbeit diesbezüglich wohl am deutlichsten gezeigt.
Mit diesem Geniestreich war Einstein der Platz im Olymp der Physik gewiss. Aber er wäre nicht er selbst gewesen, hätte er sich damit zufrieden gegeben. Er meinte, da fehlte noch etwas. Einstein war besessen von dem Gedanken, man könnte die Naturgesetze alle in den vier Dimensionen vereinheitlichen. Er hatte zumindest schon mal zwei neue Konzepte eingeführt. Die RAUMZEIT und die MATERIE-ENERGIE. Doch er wollte noch mehr, nämlich den Zusammenhang zwischen diesen beiden Konzepten herstellen. Aber da klaffte eine riesige Lücke. Was war z.B. mit den Beschleunigungen, die bisher nicht berücksichtigt wurden und was (zum Teufel) war mit der Gravitation?
"Lass die Finger davon!" sagte Max Planck, der sein Freund war, "Damit kommst Du nicht durch, und wenn Du durchkommst, wird es Dir keiner abnehmen." (Ich habe das ein wenig salopp wieder gegeben, in Wirklichkeit waren die beiden gar nicht per Du, aber der inhaltliche Sinn stimmt natürlich) Einstein ist mir sehr sympathisch, denn er handhabte die Dinge auf eine Art, die mir sehr vertraut ist. Er kümmerte sich nicht darum, was andere Leute meinten. Nein, er stürzte sich mutig in Vorhaben, von denen er anfangs vielleicht keine Ahnung hatte, ob sie Erfolg versprechend seien würden. Aber was mir am allersympathischsten ist, er wagte sich an diese Vorhaben mit so kindlicher Naivität, dass die Großen der Physik von heute dies manchmal gern verschleiern möchten. Sie umhüllen sich gern mit dem Deckmantel nicht nachvollziehbarer Formeln und finden es bislang ziemlich unpassend, dass der Größte in ihren Reihen quasi anhand von Kinderbeispielen gearbeitet hat. Aber je anschaulicher die Beispiele, desto mehr Laien könnten sie verstehen, voraus gesetzt sie wollten dies. Das nimmt aber der theoretischen Physik eine bisschen ihre Undurchschaubarkeit und das finden einige Experten nicht so lustig. Einstein jedoch war vieles, vor allem genial, aber beileibe nicht eitel. Ihm ging es nicht vordergründig um den Ruhm und die Lobpreisung seiner Entdeckungen, sondern nur um deren Tatbestand. Und wenn er sich auf dem Weg dahin alltäglicher, ja kindlicher Vorstellungen bediente, dann tat er dies aus einem einfachen Grund. Nämlich dem, dass auch Physiker nur Menschen, und nicht schon mit Formeln im Kopf auf die Welt gekommen sind.

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Aber wir waren bei den kindlichen Vorstellungen Einsteins in Bezug auf seinen größten Coup. Also, Einsteins Überlegungen begannen in einem Fahrstuhl. Jeder fragt sich manchmal, was passiert, wenn die Seile reißen. Er fragte sich das auch, allerdings konkret bezogen auf die physischen Konsequenzen. Er kam zu der Antwort, dass der Fahrstuhlbenutzer sich schwerelos fühlen muss, weil er sich mit der gleichen Geschwindigkeit abwärts bewegt, wie der Fahrstuhl selbst. Zwar beschleunigen beide (durch ihre Masse) aber sie tun dies gleichermaßen, so dass dem Fahrstuhlbenutzer tatsächlich eine Art Schwerelosigkeit vorgegaukelt wird. Zumindest solange, bis der den Boden des Schachtes erreicht... ;-) Diesen Einfall nannte Einstein später den "genialsten Gedanken seines Lebens". So wie wir es von ihm ja schon gewöhnt sind, betrachtete er jeden Aspekt natürlich auch in der umgekehrten Situation. Ein Astronaut in einer beschleunigten Rakete spürt nämlich die Umkehrung dieses Phänomens, indem er mit was weiß ich für wie viel g in den Sitz gepresst wird. Für den einen wird die Schwerkraft aufgehoben, für den anderen wird sie erhöht.
Aber seine einfachen Vorstellungen hatten damit keineswegs ein Ende. Was ist z.B. wenn wir im Auto sitzen und uns mit Schwung in eine Rechtskurve begeben? Nun, wir werden natürlich nach links geschleudert, vor allem wenn Silke nach rechts abbiegt. Doch was ist mit dem Heliumballon, den wir kurz vorher auf dem Jahrmarkt gekauft haben? Bewegt der sich auch dahin? Nein, tut er nicht, denn er ist leichter als Luft. Im Widerspruch zur "Alltagslogik" wird sich der Ballon sozusagen einen Scheißdreck um die Gravitation kümmern und immer nur den Weg nach oben suchen, also auch entgegen Silkes Fahrtrichtung. Dies nennt man das Äquivalenzprinzip.
Diese einfache Geschichte ist nun die Grundlage für die Theorie des Kosmos. (Respekt!) Denn damit löste Einstein nämlich auch die alte Frage, ob denn nun eigentlich auch das Licht der Schwerkraft unterworfen sei. Eben schon erwähnte Alltagslogik würde uns folgendes sagen: die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten muss eine Gerade sein. So auch beim Licht, da es das Licht ja bekanntlich immer sehr eilig hat. Es erscheint uns ja auch immer als gerader Strahl. Einstein erkannte aber folgendes: Wenn man in besagter beschleunigender Rakete eine Taschenlampe anknipst, wird sich der Lichtstrahl krümmen, weil die Rakete, in der Zeit, bis der Lichtstrahl den Boden erreicht, weiter beschleunigt. Das heißt nichts anderes, als dass auch das Licht dem Gravitationsfeld, welches unseren Astronauten in die Sitze presst, unterworfen ist. Egal, wie eilig das Licht es hat... Dies klingt jetzt erst mal nicht wahnsinnig beeindruckend, ich weiß, aber Einstein gefror damals bei dieser Erkenntnis das Blut in den Adern. Denn, ... da in unserem gesamten Universum praktisch alles auf der Gravitation basiert, weil ja jeder x-beliebiger Planet um irgendeinen x-beliebigen Stern kreist, kann das nur bedeuten, der Raum um uns herum muss GEKRÜMMT sein! ... Wow!

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Einstein versuchte daraufhin, die "Kräfte" aus der Geometrie, sprich aus der Krümmung des Raumes heraus zu beschreiben. Sicher erinnert Ihr Euch noch an Bernhard Riemann, der sich ebenfalls mit diesem Thema wie verrückt beschäftigt hatte, der aber selbst mit seinen gelungenen Beispielen von Plattwürmern auf zerknitterten Papieren, sehr bald an seine Grenzen stieß. Er war eben Mathematiker und kein Physiker. Er hatte keine spezifische Vorstellung von Gravitation, Elektrizität oder Magnetismus, trotzdem war sein Ansatz verdammt richtig. Einstein stieg nun an der Stelle ins Boot ein, an der Riemann es verlassen hatte. Stellen wir uns mal in Gedanken vor ein gespanntes Bettlaken und legen in dessen Mitte einen Stein. Er wird in das Laken einsinken und eine leichte Delle verursachen. Jetzt schnipsen wir eine Murmel auf das Laken. Sie wird den Stein in einer elliptischen Bahn umkreisen, bevor sie mit in der Kuhle landet. Für einen etwas weiter weg stehenden Beobachter muss es so aussehen, als ginge von dem Stein eine unsichtbare Kraft aus, die die Murmel in ihrer Bahn hält. Ihr bemerkt sicher eine verblüffende Ähnlichkeit. Der Stein ist die Sonne und die Murmel ist die Erde. (for instance) Tja, von wegen Gravitation! Natürlich nehmen wir sie als Kraft wahr, doch sie ist nicht die Ursache, wie wir uns immer einreden wollten. Der Stein (Sonne) hat die Verwerfung im Laken (Raum/Universum) herbeigeführt. Und durch was? Na…? Richtig, durch seine Masse. Einstein bewies dann noch eben schnell, dass das Licht der Sterne wie bereits vermutet tatsächlich gekrümmt ist, aber das klemme ich mir jetzt, weil ich ja irgendwann mal fertig werden will. Er hat es bewiesen, das muss reichen.
Für Ignoranten wäre das jetzt der Beweis, dass wir auf einem Bettlaken leben. Für Einstein war es die Weltformel schlechthin. Er schuf seine allgemeine Relativitätstheorie, deren Formel nicht ganz so einfach ist, wie die der speziellen, doch der Sinn, der dahinter steckt, ist genau dies ? Einfach.

MATERIE-ENERGIE BESTIMMT RAUMZEITKRÜMMUNG

Peng! Nun brauchte er ja wieder nur noch eines. Die mathematische Formel dazu. Vielleicht ahnt Ihr, was jetzt kommt. Genau, Ironie des Schicksals sozusagen. Einstein hatte ein phantastisches physikalisches Prinzip entdeckt, wozu ihm die mathematische Entsprechung fehlte und Riemann hatte lange vor ihm den mathematischen Ansatz dazu entwickelt, kam jedoch nicht weiter, weil er des übergeordneten physikalischen Prinzips nicht habhaft war. Witzigkeit kennt eben keine Grenzen...
Einstein verbrachte nun drei frustrierende Jahre damit zu, nach diesem verdammten mathematischen Prinzip zu suchen. Aber erst ein verzweifelter Brief an seinen Freund, den Mathematiker Marcel Grossmann, brachte die ersehnte Rettung: "Grossmann, Du musst mir helfen, ich werd´ sonst verrückt!" (Diesmal hab ich nicht geflunkert, sie waren tatsächlich per Du) Er wäre ein schlechter Freund gewesen, hätte er nicht sofort sämtliche Bibliotheken auf Einsteins Frage hin durchkämmt. Und er wurde fündig. Er stieß auf Riemanns Werk, das bis dahin 60 Jahre lang sein unbeachtetes Dasein gefristet hatte. Einsteins Freude und Begeisterung kannte förmlich keine Grenzen. Da zermarterte er sich nun jahrelang das Hirn und schon vor 60 Jahren hatte ein kluger Bursche alles in Formeln zum Ausdruck gebracht! Einstein konnte Riemanns Aufsatz fast vollständig auf die Formulierung seiner allgemeinen Relativitätstheorie ummünzen. Das war nun mit Abstand die größte Leistung in seinem ohnehin von Genialität durchdrungenem Physikerleben. Seine Feldgleichungen gehören zu den tiefgründigsten Ideen der gesamten Wissenschaft!



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